Thalissa QuirlingThalissa QuirlingEmily NakoskyEmily Nakosky

Wir stärken unsere Mentees auf ihrem Weg zum höheren Schulabschluss - aber wie?

Der Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium kann für Viertklässler:innen, die keine oder eine geringe Unterstützung erhalten, herausfordernd sein. Der Sprung ist oft groß: Von einem eher behüteten, oft spielerischen Lernumfeld in der Grundschule mit viel Begleitung und Unterstützung hin zu einem System, in dem Selbstständigkeit, Selbstwirksamkeit und Durchsetzungskraft häufig wichtige Fähigkeiten sind. Ein erster Schritt aus der Kindheit hin zum Erwachsenwerden.

Kein Wunder also, wenn dies viele Kinder vor eine große Aufgabe stellt, bei deren Bewältigung sie Unterstützung, Förderung und Begleitung brauchen. Genau das ist die Aufgabe der Mentor:innen bei WEICHENSTELLUNG für Viertklässler. Zwei von ihnen, Thalissa und Emily, berichten von ihren Erfahrungen mit diesem Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium. Sie beschreiben, welche Wege sie für ihre Mentees gefunden haben und was sie daraus für ihre eigene berufliche Zukunft als Lehrerinnen mitnehmen.

Beide Lehramtsstudentinnen sind seit eineinhalb Jahren bei WEICHENSTELLUNG als Mentorinnen tätig - und haben im Herbst 2022 voller Freude den Wechsel ihrer Mentees auf das Gymnasium (in manchen Fällen auch auf die Stadtteilschule) erlebt.

„Für meine Mentees war der Schulwechsel nicht einfach“, berichtet Thalissa. „Sie fühlten sich zum Teil nicht so wohl auf der neuen Schule und hatten Schwierigkeiten, anzukommen. Der Unterschied zur Grundschule war sehr deutlich spürbar.“ Um sie in dieser Situation zu unterstützen, entwickelte Thalissa das Arbeitsblatt ‚Meine neue Schule‘. Darauf können die Kinder vermerken, was sie gern mögen und machen, was sie an der Grundschule vermissen, worin sie gut sind, wo sie noch üben müssen und wie sie sich fühlen. „Damit wollte ich es den Kindern erleichtern, sich mit ihrer Situation auseinander zu setzen und auch das Positive an ihrer neuen Schule zu sehen.“

        

Dabei hat auch ein Gefühlstagebuch geholfen: „Mein inneres Wetter“ hat Thalissa das Arbeitsblatt genannt. Denn jeder hat ein inneres Wetter – an manchen Tagen scheint die Sonne und man fühlt sich, als ob man alles schaffen kann. An anderen ist der Kopf voller Wolken und es fällt schwer, sich zu konzentrieren. An wieder anderen stürmt es in einem und alles ist aufgewühlt. „Wenn das eigene Wetter durcheinander ist, hilft es, mit jemanden darüber zu sprechen. Denn es ist okay so zu fühlen“, sagt Thalissa. „Mein Ziel war es, dass die Kinder über sich selbst nachdenken. Ich wollte ihnen helfen, positive Dinge zu erkennen und ihnen gleichzeitig zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn sie sich mal nicht so gut fühlen.“

Beide Mentor:innen tauschen sich eng miteinander aus und teilen die von ihnen entwickelten Materialien – untereinander und auch mit anderen Mentor:innen. Dabei suchen sie immer wieder nach Möglichkeiten, wie sie ihre Mentees gezielt unterstützen können. „Selbst entwickelte Arbeitsblätter kommen bei uns vor allem dann zum Einsatz, wenn wir etwas Spezifisches für oder mit unseren Mentees machen wollen“, erklärt Emily. „Wir haben zwar gutes Material, aber manchmal braucht man noch etwas, was genau auf die Bedürfnisse und aktuellen Situationen der Kids zugeschnitten ist.“

Bei Emily und ihren Mentees war es beispielsweise ein Arbeitsblatt über Ziele. Damit kann jedes Kind für sich individuell seine Ziele definieren und beschreiben, die kleinen „Helfer-Monster“ sind eine zusätzliche Motivation. „So sehe ich als Mentorin, was die Kinder erreichen wollen. Wenn sie ihre Ziele selbst überlegen und aufschreiben, ist das etwas ganz anderes, als wenn diese von mir als Mentorin oder von Lehrkräften oder den Eltern kommen. Deswegen arbeite ich damit sehr gern.“ Die Ziele haben die Mentees vorn in ihrem WEICHENSTELLUNG-Ordner abgeheftet und habe sie somit immer vor Augen, wenn sie in der Förderung sind.

         

Neben der schulischen Unterstützung spielt die soziale Begleitung der Kinder eine besonders große Rolle. So arbeitet auch Emily mit einem Emotionstagebuch, welches sie jede Woche mit ihren Mentees ausfüllt. „Die Kids kreisen ein, welche Emotionen gerade auf sie zutreffen und bestimmen dann, ob das positive Gefühle waren oder negative oder gemischte – wie sie es empfunden haben. So reflektieren sie ihre Woche und wir überlegen gemeinsam, wie man ihnen mit den negativen Emotionen helfen oder die positiven verstärken kann. Das hilft ihnen auch bei Konflikten, die sie an der neuen Schule haben. Ich mache ebenfalls mit, damit sie sehen, dass auch ich mal eine schlechte Woche habe und das ganz normal ist.“

Bei WEICHENSTELLUNG geht es um ‚doppeltes Lernen‘. Das Programm stärkt sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch die Studierenden. Diese profitieren durch die Praxiserfahrungen im pädagogischen Alltag. „Als Mentorinnen sammeln wir sehr viele Erfahrungen für unseren späteren Beruf als Lehrerinnen“, sagt Thalissa. „Gerade die Arbeitsblätter sind eine gute Möglichkeit, Dinge auszuprobieren. Wir kennen unsere Mentees nun schon eineinhalb Jahre und wenn mal etwas nicht ganz so läuft wie geplant, ist das nicht so schlimm, weil das gegenseitige Vertrauen da ist. Ein anderes Beispiel ist das Organisieren der Ausflüge – wo fährt der Bus, wieviel Zeit sollte ich einplane, wie behalte ich alle Kinder im Blick. Wenn man später mal über 20 Kinder in seiner Klasse hat, muss man gut vorbereitet sein.“

Emily ergänzt: „Wir bekommen schon einmal einen Vorgeschmack, wie Ausflüge später mit einer ganzen Klasse aussehen können. Man entwickelt mit der Zeit einen Blick dafür, ob alle da sind oder jemand Quatsch macht. Das permanente ‚Alle im Blick haben‘ fällt nach einigen Ausflügen schon viel leichter. Und man gewöhnt sich daran, die Verantwortung für die Gruppe zu tragen – man gewinnt mehr und mehr Sicherheit und bekommt eine gute Grundlage für eine spätere große Klasse.“

„Schön ist es auch, in der Schule sein: Zeit in der Klasse zu verbringen, das Klassengeschehen mitzubekommen, zu sehen wie unterschiedliche Lehrerkräfte mit den Klassen und Situationen umgehen“, so Emily. „Zudem habe ich öfter die Gelegenheit, mich in den Pausen mit Lehrkräften zu unterhalten und auszutauschen. Da kann ich viel mitnehmen.“

„Eine wichtige Erfahrung war für uns, genauso für die Mentees, das Miterleben des Übergangs von der vierten in die fünfte Klasse“, erzählt Thalissa. „Wie verschieden die Ansprüche der Lehrkräfte an unterschiedlichen Schulformen sind, und wie groß zum Teil auch der Unterschied im Schulalltag zwischen Grundschule und beispielsweise Gymnasium ist. Ich denke, das hilft uns später im Beruf. Wir können die Kinder in der vierten Klasse besser vorbereiten, da wir wissen, was auf sie zukommt. Bei meinen Mentees war es vor allem das Ankommen in der neuen Schule, dort zurechtkommen, mit den neuen Fächern, den neuen Lehrkräften, sich mit dem neuen Umfeld erst einmal anzufreunden. Dafür war es zum Beispiel wichtig, dass Selbstvertrauen der Mentees zu stärken, dass sie das schaffen und sich durchbeißen.“

„Ja, auch bei meinen Mentees ging es viel um das soziale Miteinander“, erzählt Emily. „Beispielsweise mit der Situation umzugehen, auf einmal nicht mehr ‚die Großen‘ zu sein, wie sie es zuletzt in der Grundschule waren. In einem ganz anderen Umfeld ohne die Freunde aus vorherigen Klasse klar zu kommen. Zudem hatte ich mir vorher auch Gedanken gemacht, wie die neuen Klassenkameraden meiner Mentees auf mich reagieren. Wie kann ich deutlich machen, dass ich nicht da bin, weil mein Mentee ‚schlecht‘ ist, sondern dass ich als Mentorin etwas Positives bin. Gerade bei Kindern, die vielleicht Schwierigkeiten haben, in einem neuen Klassengefüge anzukommen, wollte ich kein verstärkender Faktor dieser Schwierigkeiten sein. Das hat sich aber durchs offene Vorstellen und Erklären, was das Projekt ist, gut gelöst und am Ende sogar eine Art Kontaktaufhänger für die Kinder untereinander ergeben.“

Für Emily und Thalissa ist es die erste Mentoringgruppe bei WEICHENSTELLUNG für Viertklässler und ihre Rolle und Bedeutung für ihre Mentee-Kinder – gerade nach dem Übergang auf die weiterführende Schule – ist groß. Thalissa: „Ich sehe mich als Ansprechperson, die nicht direkt eine Freundin ist, aber auch nicht wie Eltern, sondern etwas dazwischen. Eine Bezugsperson, zu der sie kommen können, wenn sie Probleme haben. Oder die sich mit ihnen freut, wenn sie etwas Besonders gut gemacht haben, auf das sie stolz sind. Ich glaube, es hilft ihnen zu wissen, dass ich da bin und sie unterstütze.“

Emily: „Ich würde es ähnlich beschreiben: Ich bin für die Kinder eine Bezugsperson, für Positives aber auch für Probleme und Schwierigkeiten. Sie zeigen einem, dass man wichtig für sie ist. Sie möchten, dass man bei ihnen ist und sie unterstützt. ‚Du bist meine Mentorin und ich brauche das.‘ Das ist ein schönes Gefühl.“


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